Dabei sein ist alles
- Kristina Räder
- 25. Juni 2021
- 4 Min. Lesezeit

Ganz oft ertappe ich Kunden (und mich selbst übrigens auch) dabei, dass sie sich oder mich fragen, ob sie auch genug mit ihrem Hund unternehmen, ihm genug bieten und ihn richtig „auslasten“. Wenn ich dann frage, was denn so alles mit dem Hund gemacht wird, dann erhalte ich eigentlich fast immer die gleichen Antworten. Es wird mir von Spaziergängen, Fahrradtouren, Läufen und verschiedensten Hundesportarten berichtet. Übrigens ist ganz selten wirklich jemand dabei, dem man sagen müsste, dass er mehr mit seinem Hund machen sollte, ein weit größerer Anteil der Menschen liegt eher im Bereich „ausreichend“ oder gar bei „zu viel“. Vermutlich würden genau diese Menschen nämlich auch diese Frage gar nicht stellen.
Zähneknirschend werden am Ende der Auflistung der Aktivitäten „für den Hund“ dann die eher „langweiligen“ Tagen beschrieben, wo jobbedingt, weil das Kind Vorrang hatte oder man auch mal zum Arzt musste, auch mal nur ein kurzes Gassi möglich war oder der Hund kurz schwimmen durfte. Nicht selten gibt es dann Aussagen wie „da musste er einfach mit“, „den Tag haben wir nur zuhause verbracht“ oder „notgedrungen gab es mal ein ganz anderes, kurzes Suchspiel am Abend im Dunkeln.
Ich weiß, dass jetzt alle einen Artikel zum Thema „wieviel ist genug, was ist zu wenig, was zu viel“ erwarten. Doch dieses Thema soll uns heute ausnahmsweise mal gar nicht interessieren. Hier und heute geht es nicht um die Quantität der Unternehmungen, sondern um die Qualität. Und noch genauer: es geht darum, was eigentlich alles die gemeinsame Zeit mit dem Hund ausmacht!
Zunächst einmal bin ich tatsächlich recht verblüfft, dass die allermeisten Menschen nur die Dinge am Tag erwähnen, die sie ganz speziell „für den Hund“ tun: Spazierengehen, Hundesport, Suchspiele… All jene Dinge, die der Hund ansonsten miterlebt, scheinen überhaupt nicht zu zählen. Kurz zum Vergleich: wenn ich für mein Leben nur meine sehr aktiven Zeiten, in denen ich ausschließlich etwas für mich tue, zusammenzähle, dann wird das vermutlich ein sehr mageres Ergebnis sein. Dann ist das sicherlich sogar weniger als das, was so für meine Hunde passiert. Soll heißen: zum Glück besteht das Leben unserer Hunde (ebenso wie unseres) nicht nur aus diesen spezifischen Aktivitäten für ihn! Unser Hund lebt doch nicht allein von und für Spaziergänge, hündische Aktivitäten und Sport mit uns zusammen. Unser Hund erlebt auch das, was wir erleben – zumindest sollte das bestenfalls so sein.
Auch für viele Hunde (Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel) existiert ein Leben zwischen Agility und Dummysport, zwischen Spaziergang und Joggingrunde, zwischen Schnüffelteppich und Pool im Garten. Viele Hunde erleben einen großen Teil unseres Alltags mit und das ist auch gut so, das bietet Abwechslung, das beschäftigt und auch das ist „seinem Hund etwas bieten“. In meinen Augen sind oft die Mensch-Hund Teams am glücklichsten, die ganz natürlich ihren Alltag in weiten Teilen miteinander teilen und dadurch viel zusammen erleben.
Ich denke, wir müssen uns eines bewusst machen: Leben bedeutet erleben. Und erleben bedeutet nicht immer Aktion, Spiel, Spaß und Spannung, sondern manchmal auch einfach nur „dabei sein“. Auch ein Tag im Büro kann abwechslungsreich und nett, der gemeinsame Einkauf im Baumarkt eine aufregende Abwechslung, ein kuschliger Tag auf dem Sofa eine Bereicherung, das Mitkommen in das Lieblingsrestaurant schöner als das Alleinbleiben zuhause, der Urlaub in den Bergen auch ganz ohne Hunde-Sport ein Erlebnis sein. Wir bieten also unseren Hunden in den meisten Fällen mehr als wir glauben und uns selbst weniger als wir meinen.
Und denjenigen, die sich jetzt noch immer sorgen, ob ihr Hund nicht zu gelangweilt ist, denen sei gesagt: aus langweiligen Situationen lässt sich im Übrigen mit etwas Kreativität auch mal eine schöne neue Aufgabe kreieren. Vielleicht bringt der Bürohund einfach mal das Papier in den Müll, der gelangweilte Sofahund darf sein Spielzeug mithilfe einer kleinen Schnur unter dem Sofa hervorholen und muss lernen „um dich Ecke zu denken“ und der Baumarkthund darf dort einen kleinen Trick unter Ablenkung zeigen…
Aber da Hunde soziale Rudeltiere sind, ist oft einfach „dabei sein“ alles und ganz viel wert und genau das sollten wir uns an den vermeintlich langweiligen Tagen auch mal bewusst machen. Natürlich gibt es immer mal Situationen, in denen Hunde absolut nichts zu suchen haben und mit denen man ihnen auch keinen Gefallen tut (angebunden vor dem Einkaufszentrum beispielsweise) und selbstredend gibt es – je nach Persönlichkeit, Alter und Situation - auch Hunde, die lieber mal alleine zuhause bleiben als überall hin mitgeschleppt zu werden. Doch der größte Teil unserer Hunde verbringt auch einfach gern viel Zeit mit seinem Rudel, ganz egal, wobei – und das beste: gemeinsames Erleben stärkt auch noch die Bindung.
Wer seinen Hund ausschließlich als eine extra Tages-Aufgabe sieht, die man mit Schrittzähler und Hundeplatz „abarbeiten“ muss, ist meines Erachtens ohnehin auf dem Holzweg. Freude an seinem Hund hat der am meisten, der diesen gut und recht unaufwändig in den Alltag integrieren kann und dann zusätzlich vielleicht noch Spaß am gemeinsamen Hobby mit Bello hat. Stress und Gassi passen im Übrigen ohnehin nicht gut zusammen – wer schon gestresst startet wird vermutlich noch gestresster zurückkommen, zumindest wenn es noch die ein oder andere erzieherische Aufgabe gibt. Da kann ein Tag auf dem Sofa auch mal Gold wert sein – zumindest macht man sich damit nämlich nichts kaputt.
Text A.Nowatzek
@beate_schmahl_photografie
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