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Die Sache mit dem Bauchgefühl

  • Kristina Räder
  • 19. Juni 2021
  • 4 Min. Lesezeit


Kennt ihr das auch? Man interagiert gerade mit seinem Hund und plötzlich protestiert der eigene Bauch ganz vehement dagegen? Manchmal ist es eine Trainingssequenz, manchmal eine erzieherische Maßnahme, manchmal einfach eine unwillkürliche Reaktion auf das Verhalten des Hundes, aber jeder kennt es: noch während man die Handlung in die Tat umsetzt, meldet sich ein unangenehmes Bauchgefühl; man zweifelt, ist sich auf einen Schlag unsicher, weiß nicht mehr „war das jetzt richtig oder nicht“.

Auch aus anderen Bereichen unseres Lebens kennen wir solche Situationen…aus dem Job, aus der Kindererziehung, vielleicht auch aus der eigenen Beziehung. Doch überall stellt sich die gleiche Frage: kann man einem Bauchgefühl eigentlich vertrauen? So auch im Hundetraining.

Natürlich ist das Bauchgefühl – darüber sind wir uns sicherlich einig – etwas anderes als eine vernünftige Überlegung, nicht immer richtig und schon gar nicht wissenschaftlich validiert. Aber ist es deswegen immer so falsch? Machen wir uns doch einmal kurz bewusst, woraus ein Bauchgefühl überhaupt entsteht. Es kommt ja nicht aus dem nichts, sondern zunächst mal aus einem Gefühl heraus und schon das hat es meiner Ansicht nach verdient, zumindest kurz beachtet zu werden. Bestenfalls mischen sich in unser Bauchgefühl über die Jahre hinweg aber auch zunehmend Erfahrungswerte. Und auch diese können bei einer Entscheidung tatsächlich sehr hilfreich sein. Nicht zuletzt entwickeln wir unser Bauchgefühl auch aus unserer Persönlichkeit heraus und sollte man diese einfach übergehen? Wohl eher nicht!

Daraus resultiert mein heutiger Appell, auch in der Hundehaltung hin und wieder auf das eigene Bauchgefühl zu achten. Wir brauchen unser Bauchgefühl doch schon allein, weil nicht immer ein erfahrener oder guter Trainer neben uns steht oder wir gerade das passende Buch gelesen haben, wenn wir in eine Situation geraten, die es zu meistern gilt. Wenn ein fremder Hund gerade auf unseren zustürmt, können wir nicht auf „Stop“ drücken, um kurz mal jemanden um Rat zu fragen.

Zudem ist eine häufige Trainer-Erfahrung, dass die allermeisten Menschen gar nicht so ein schlechtes Bauchgefühl haben, wenn es um ihren Hund geht. Schließlich lieben sie ihr Tier und kennen es meist auch ganz gut. Außerdem haben die allermeisten Menschen auch schon Erfahrungen mit Hunden gesammelt und gelernt, Dinge besser einzuschätzen. Zudem entwickeln wir Instinkte – fast wie bei einem Kind – um unsere Hunde zu beschützen, ihnen zu helfen und sie anzuleiten. Daher werden die Entscheidungen, die Menschen in Bezug auf ihre Hunde treffen, oft besonders krude, wenn sie ihrem Bauchgefühl zuwiderhandeln, nur weil Trainer x oder y das gesagt hat, man ein prämiertes Fachbuch gelesen hat, das einen anderen Tipp gab oder ein guter Bekannter es (vermeintlich) besser weiß.

Aber warum ist das so? Einerseits, weil es gar nicht immer richtig ist, in Sachen Fürsorge und Erziehung, nur den Verstand zu gebrauchen, da unsere Instinkte und unser Gefühl gerade in solchen Punkten auch gute Ratgeber sein können. Und außerdem, weil selbst die besten Trainingskonzepte nicht funktionieren, wenn man nicht auch ein wenig überzeugt davon ist! Wie soll ich eine methode umsetzten, die sich ganz uns gar falsch anfühlt? Schade also, dass wir so anfällig dafür geworden sind, uns von den 100000 Hundetrainern in Deutschland (jeder mit und notfalls auch ohne Hund ist ja schließlich Experte) Ratschläge geben zu lassen und uns ganz schnell zu hinterfragen. Nicht, dass es schlecht wäre, wenn man sich und seine Methode hin und wieder mal in Frage stellt (auch wir Trainer sollten von Zeit zu Zeit „teach the trainer“ zulassen), doch völlig verunsichern lassen, jeden Tag etwas Neues probieren, konsequent gegen das eigene Gefühl zu arbeiten, das ist sicher auch nicht das Richtige! Witziger Weise vertrauen wir heutzutage aber oft lieber dem Bauchgefühl eines anderen als unserem eigenen…

Soll heißen: es ist nicht immer richtig, was ein Trainer, ein Bekannter, ein Buch uns sagt und da sollte man zur Not auch mal auf die innere Stimme hören und ggf. nochmal die Methode wechseln. Und selbst dann, wenn es genau richtig ist, was uns da eingeflüstert wird – wenn wir es mit unserem Gefühl, unserem Gewissen, unserem Bauch nicht überein bringen, dann ist es eben leider für uns das falsche Konzept. Und zum Glück gibt es ja fast zu jedem Thema mehrere Wege, die nach Rom führen. Man muss den ein oder anderen nur vielleicht erst finden. Und nicht zuletzt ist es doch auch unser Bauchgefühl, das uns sagt, ob ein Trainer der Richtige ist und nicht zuletzt sogar, ob ein Hund, eine Rasse überhaupt zu uns passt, oder nicht!?!?

Wenn also so manche Eltern rein durch ein gutes Bauchgefühl, Kinder zu souveränen, fröhlichen und eigenständigen Menschen heranziehen können, dann sollten Hundemenschen doch auch ihre Hunde mit ganz gut hinbekommen, wenn sie ab und an mal auf den Bauch hören und dieses Bauchgefühl dann mit Wissen und Erfahrungswerten weiter „füttern“. Vertraut daher wieder etwas mehr auf euer Bauchgefühl, geht wieder etwas selbstverständlicher und natürlicher mit dem besten Freund des Menschen um, seid nicht zu „verkopft“ bei der Sache, denn ein Hund ist sicher keine reine „Kopfsache“.

Übrigens ist es genau aus den genannten Gründen auch oft schön, Kinder mit Hunden in Interaktion zu beobachten - sie haben noch einen wenig verkopften und natürlichen Zugang zu Tieren. Kinder haben nämlich einfach noch kein so ausgeprägtes Korrektiv im Kopf, sie haben viel mehr Bauchgefühl und handeln auch einfach mal danach…

Text. A.Nowatzek

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